Ragga, Dancehall und HipHop für Leute, die keinen Ragga, Dancehall und HipHop mögen
Es ist der erste echte Sommertag in Hamburg. Wir haben knapp 30 Grad und ich sitze mit kurzen Hosen auf dem Fahrrad und schaue ungläubig auf meinen iPod. Knapp 100 Alben sind da drauf und keins davon passt zum Wetter. Viel darker und verschachtelter Kram, wie Burial, Ghostpoet, Mount Kimbie oder Apparat. Keine Frage, alles gut. Aber eher für einen Spaziergang bei Nieselregen durch die verlassene Geisterstadt Detroit geeignet. Das kann man unmöglich bei strahlendem Sonnenschein auf dem Weg zur Elbe hören. Also wieder nach oben und durchs Plattenregal gestöbert. Hängen geblieben bin ich auf einer Veröffentlichung von Soul Jazz Records. Dieses Label aus London hat sich dem Sound an der Schnittstelle zwischen 60s Soul, Ska, Dub und Brazilian Funk verschrieben. Fast immer im Compilation Format graben die Macher immer wieder längst vergessene Tracks von Künstlern hervor, die man in den seltensten Fällen schon mal gehört hat. Das Label gibt es bereits seit 1992 und hat eine recht solide Fan Basis. Am ehesten kennt man das Label von deren 100%-500% Funk Compilations. Kommerziellere Künstler sind dort selten vertreten. Hier bestätigt allerdings die Ausnahme die Regel.
Bei Nice up the Dance sind dies nämlich beispielsweise Kenny Dope, Shaggy oder tatsächlich Sean Paul. Den fand ich immer eher nervtötend und ziemlich prollig. Prollig ist er hier mit seinem Beitrag “Infiltrate“ auch, aber so mitreißend, dass ich ihm das gerne verzeihe. Mitreißend ist übrigens fast jeder Track. Sei es HipHop lastiges wie „Get that Money“ von Miss Thing oder klassischer Reggae, den ein Herr Namens China Africa mit „Fuss Fuss“ beisteuert. Besonders gut gefallen mir die Tracks, die für die Primetime auf dem Dancefloor gemacht sind. Als Anspieltipp sei hier Boomin in da Yeep von „kenny Dope feat. Screechy Dan“ empfohlen. Ein Track, der schon fast Jungle Qualitäten hat und einen kaum stillsitzen lässt.
Wir sind musikalisch bekanntermaßen auch dem Dub nicht abgeneigt, da wir wissen, wie wichtig Dub für elektronische Musik ist. Deshalb ist aus meiner Sicht, der beste Track “If I know Jah“ von „Bluessinger“. Die Platte hat einen so deepen Beat und schwebt auf einer Wolke aus Hall, dass man sie ohne die Vocals und etwas hochgepitcht auch in einem deepen Technoset spielen könnte.
So gut ich diese Compilation auch finde, ich glaube nicht, dass ich bald ein neues Fach im Plattenregal für Dancehall, Reggae und Dub benötige. Weil sich der Sound dann letzten Endes nicht wirklich weiterentwickelt hat und auch selten überrascht. Aber für manche Gelegenheiten kann man das super hören. Sei es verkatert oder bei tollem Wetter auf dem Weg zur Elbe, oder zum Baggersee oder in den Park.