Elektronisches Gefrickel trifft verschrobenen Popappeal
An Nicolas Jaar und seinem Debutalbum “Space is the only Noise“ aus dem Jahr 2010 haben sich zumindest in unserem Freundeskreis die Geister geschieden. Das ganz neue große Ding meinten die, die endlich den perfekten avantgardistischen Soundtrack für deren jeweilige Lebensphase gefunden hatten. Andere Stimmen waren da schon deutlicher. "Uninspiriertes Post Dubstep Gejaule ohne Seele. Massentauglich produziert, damit auch der letzte Hipster weiß, was zum veganen Abendessen im Hintergrund zu dudeln hat.
Ich finde Nicolas Jaar ehrlicherweise ganz gut. Ich mag die melancholischen Soundfragmente und die komplexe Art von Klang, bei der man intensiv zuhören muss, um den Zugang zu finden. Gute Kopfhörermusik eben. Daher hat mich die Ankündigung zu der Kollaboration zwischen Nicolas Jaar und dessen ehemaligen Tourgitarristen Dan Harrington neugierig gemacht und die Platte überzeugt mich.
Das Album bewegt sich stilistisch zwischen den Grenzen von Post Dubstep, Ambient, Deephouse und der progressiveren Interpretation von Popmusik. Basierend auf einem – wie der Bandname ahnen lässt – eher düsteren gemeinsamen Nenner. Das liegt vor allem daran, dass die elektronischen Frickeleien des Herrn Jaars sehr gut mit den Gitarrensounds seines Kompagnons harmonieren. Besonders in meinem Favouriten und Anspieltipp “Paper Trails“ kommt das zum Tragen. Bei dem Song wünschte ich mir, dass die deephousigen Elemente länger – nicht stärker - ausgeprägt wären. Dann würde sich die Platte mutmaßlich auch in den frühen Morgenstunden während eines DJ Koze wiederfinden. Auch der Opener, ein knapp 12 minütiges progressives Ambient-Pop-Spektakel namens “Golden Arrow“, entfaltet über die gesamte Spielzeit einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Der Urgroßvater solcher Sounds kommt wahrscheinlich aus den 70er Jahren und hat unseren Eltern das ein oder andere psychodelische Erlebnis beschert. Im weiteren Verlauf des Albums wird’s dann funky mit „The Only Shrine I’ve“, “Seen“, episch mit “Freak, Go Home“ und endet trippig mit “Metatron“.
Erfreulicherweise hat das Album keine echten Ausfälle, sondern ist komplex arrangiert und verzichtet auf Lückenfüller. Wenn man den beiden Künstlern beim Arbeiten zusieht, weiß man allerdings auch warum. Das Videofeature der Resident Advisor Kollegen ist wirklich ein Vergnügen und wollen wir euch nicht vorenthalten. Das Album ist mit Sicherheit kein weichgespülter Downbeat oder seelenloser Ambient, aber – bei allem Anspruch - es ist auch nicht unhörbar. Dafür haben die meisten Tracks dann doch auch einen leicht verschrobenen Popappeal. Wie so häufig bei guter Musik, die nicht für die Tanzfläche oder die große Bühne gemacht ist, muss man sich darauf einlassen und zuhören. Sonntagabend zum Beispiel auf der Couch. Beim Nachdenken und Gedankenfließen lassen. Dabei können Euch die Herren Jaar und Harrington sehr gut helfen.
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